Schmerzensgeld: Keine „taggenaue Berechnung“

Die Methode einer „taggenauen Berechnung“ des Schmerzensgeldes verstößt gegen geltendes Recht.

Maßgebend für die Schmerzensgeldhöhe sind im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung der verletzten Person und der Grad des Verschuldens der Schädigerin bzw. des Schädigers. Es hat eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen. Dann sind die fallprägenden Umstände zu bestimmen und im Verhältnis zueinander zu gewichten. Dabei sind in erster Linie die Höhe und das Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage ist eine einheitliche Entschädigung für das sich insgesamt darbietende Schadensbild festzusetzen, die sich nicht rein rechnerisch ermitteln lässt.

Die Methode der taggenauen Schmerzensgeldberechnung kann hierfür keine geeigneten Kriterien liefern. Sie führt unter anderem zu einer rechtsfehlerhaften Betonung der Schadensdauer.

Bei der besonderen Fallgruppe der Schwerstverletzungen mit schweren Hirnschädigungen bei der Geburt, die mit der Einbuße der Persönlichkeit, dem Verlust an personaler Qualität einhergehen, stellt bereits diese Zerstörung der Persönlichkeit für sich einen auszugleichenden immateriellen Schaden dar – unabhängig davon, ob der oder die Betroffene die Beeinträchtigung empfindet. TatrichterInnen müssen in diesen Fällen wie auch sonst diejenigen Umstände, die dem Schaden im Einzelfall sein Gepräge geben, eigenständig bewerten und aus einer Gesamtschau die angemessene Entschädigung für das sich ihnen darbietende Schadensbild gewinnen. Bei der Bewertung der Einbuße ist der Tatsache angemessene Geltung zu verschaffen, dass die von der Schädigerin oder dem Schädiger zu verantwortende, weitgehende Zerstörung der Grundlagen für die Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit die verletzte Person in der Wurzel trifft und für sie deshalb existenzielle Bedeutung hat. Dabei können RichterInnen je nach dem Ausmaß der jeweiligen Beeinträchtigung und dem Grad der verbliebenen Erlebnis- und Empfindungsfähigkeit der verletzten Person Abstufungen vornehmen, um den Besonderheiten des jeweiligen Schadenfalles Rechnung zu tragen.

Ein grober Behandlungsfehler ist weder mit grober Fahrlässigkeit gleichzusetzen, noch kommt ihm insoweit eine Indizwirkung zu, weil ein grober Pflichtenverstoß für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechendes gesteigertes persönliches Verschulden zulässt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.03.2022 – VI ZR 16/21