Weitere Geschäftsgebühr für Verfahren vor Gutachter- und Schlichtungsstellen der Ärztekammern

Beauftragt eine Patientin bzw. ein Patient eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt, in einer Arzthaftungsangelegenheit tätig zu werden und das Verfahren bei der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler durchzuführen, fällt für die anwaltliche Tätigkeit neben der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auch die weitere Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2303 Nr. 1 VV RVG an. Diese weitere Gebühr entsteht für Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder, wenn die Parteien den Einigungsversuch einvernehmlich unternehmen, vor einer Gütestelle, die Streitbeilegung betreibt (§ 15a Abs. 3 EGZPO). Bei der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler handelt es sich nicht um eine Gütestelle i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Es handelt sich jedoch um eine Gütestelle, die Streitbeilegung betreibt i.S.d. § 15a Abs. 3 EGZPO.

Gegen die einvernehmliche Unternehmung eines Einigungsversuchs spricht nicht, dass die Anspruchsgegner sich nicht an dem freiwilligen Verfahren vor der Gutachterkommission beteiligen wollen. Gemäß § 15a Abs. 3 S. 2 EGZPO wird das Einvernehmen nach S. 1 unwiderleglich vermutet, wenn eine Verbraucherin oder ein Verbraucher eine branchengebundene Gütestelle, eine Gütestelle der Industrie- und Handelskammer, einer Handwerkskammer oder der Innung angerufen hat. Dies gilt auch im Rahmen von Nr. 2303 Nr. 1 VV RVG. Zu den branchengebundenen Gütestellen i.S.d. Vorschrift gehören auch die Gutachter- und Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern.

Das Güte- und Schlichtungsverfahren stellt gegenüber der (übrigen) außergerichtlichen Vertretung eine eigene Angelegenheit dar. Die Anrechnungsvorschrift in Vorbem. 2.3 Abs. 6 VV RVG spricht dafür, dass verschiedene Angelegenheiten vorliegen. Immer dann, wenn das Gesetz eine Anrechnung von Gebühren vorsieht, geht es von verschiedenen Angelegenheiten aus. Eine Anrechnung innerhalb einer Angelegenheit ist dem Gebührensystem RVG fremd. Auch die Vorschrift des § 15 Abs. 2 RVG spricht für eine gesonderte Angelegenheit. In derselben Angelegenheit kann die Anwältin bzw. kann der Anwalt jede Gebühr grundsätzlich nur einmal verdienen. Da aber zwei Geschäftsgebühren vorgesehen sind, spricht dies im Umkehrschluss dafür, dass es sich auch um jeweils eigene Angelegenheiten handelt. Für dieses Verständnis spricht auch die Vorschrift des § 15 Abs. 1 RVG.

Amtsgericht Leverkusen, Urteil vom 23.07.2025 – 25 C 11/25