Von Durchgangsärzten hinzugezogene Fachärzte haften persönlich für Diagnosefehler

Nach einem Arbeitsunfall stellte sich ein Patient mit persistierenden Schmerzen in der rechten Schulter bei einem Durchgangsarzt vor, der als Erstdiagnose nach dem Unfall eine Schulterzerrung diagnostizierte. Zum Ausschluss des Verdachts auf das Vorliegen einer Rotatorenmanschettenruptur überwies er den Patienten an eine Gemeinschaftspraxis, deren Ärzte keine Durchgangsärzte sind. Nach einer Kernspintomographie des Schultergelenks schloss ein Arzt dieser Gemeinschaftspraxis das Vorliegen einer Sehnenruptur aus. Daraufhin erfolgte die Behandlung aufgrund der Zerrungsdiagnose. Eine später durchgeführte MRT-Untersuchung zeigte einen subtotalen Abriss der Supraspinatussehne am Tuberculum majus. Der Patient machte geltend, die Ruptur der Rotatorenmanschette sei bereits auf dem Kernspintomogramm eindeutig erkennbar gewesen. Seine Klage wurde zunächst wegen fehlender Passivlegitimation der Gemeinschaftspraxis abgewiesen. Erst der BGH stellte fest, dass der Arzt der beklagten Gemeinschaftspraxis nicht in Ausübung eines öffentlichen Amts tätig wurde und daher eine Haftung für einen etwaigen Diagnosefehler in Betracht kommt.

Auch für hinzugezogene Ärzte gelte der Grundsatz, dass die ärztliche Heilbehandlung regelmäßig nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne von Art. 34 GG erfolgt. Die hoheitliche Tätigkeit des Durchgangsarztes sei mit der Entscheidung der Anordnung der besonderen Heilbehandlung nach Durchführung der Erstuntersuchung und Erstdiagnose beendet gewesen. Die Entscheidung für nachfolgende Maßnahmen zur Absicherung der Diagnose und darauf gestützte Entscheidungen über den weiteren Verlauf der besonderen Heilbehandlung seien dann bereits Teil der Heilbehandlung und damit privatrechtlicher Natur gewesen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.3.2020 – VI ZR 281/19